Neugestaltung des Lebensmittelkennzeichnungsrechts in der EU
VDF, 29.04.2008 - Das Lebensmittelkennzeichnungsrecht soll konsolidiert und aktualisiert werden (vgl. VDF-Bericht vom 28.12.2007). Der Kommissionsvorschlag umfasst gegenständlich das allgemeine Kennzeichnungsrecht für Lebensmittel und das spezielle Nährwertkennzeichnungsrecht, zwei Bereiche, die derzeit getrennt in den Richtlinien 2000/13/EG und 90/496/EWG geregelt sind. Die breite öffentliche Diskussion des Kommissionsvorschlags und die Relevanz des Themas geben uns Veranlassung, erneut auf dieses sehr umfangreiche Gesetzgebungsvorhaben zurückzukommen und die Bestimmungen nochmals schlaglichtartig aufzuzeigen.Warum überhaupt Neuregelungen?
Bei der Schaffung des allgemeinen Lebensmittelkennzeichnungsrechts im Jahre 1979 ging der Brüsseler Gesetzgeber von der Zielsetzung aus, den freien Verkehr von Lebensmitteln in der Gemeinschaft durch Vereinheitlichung der Kennzeichnung zu ermöglichen. Mittlerweile steht der Schutz der europäischen Verbraucher durch adäquate Information über das jeweilige Lebensmittel im Vordergrund. Das allgemeine Lebensmittelkennzeichnungsrecht wurde mehrfach geändert und bedarf infolge der Entwicklung auf dem Lebensmittelmarkt sowie angesichts der geänderten Erwartungshaltung der Verbraucher einer Aktualisierung und Modernisierung.
Hintergrund neuer Ansätze bei der Nährwertkennzeichnung ist es, den Verbrauchern Zugang zu eindeutigen, „konsistenten und evidenzbasierten Informationen“ zu eröffnen, um eine gesundheitsbewusste Auswahl der Lebensmittel beim Einkauf zu ermöglichen und einer ausgewogenen Ernährung Grundlage zu geben. Das jüngste Weißbuch der EU zum Thema „Übergewicht in der EU“ zeigt dringenden Handlungsbedarf im Hinblick auf eine bewusstere Ernährung der Bevölkerung.
Was sind die wesentlichen Ziele der vorgeschlagenen Verordnung?
Nach Art. 1 und Art. 3 möchte die Neuregelung durch die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel den umfassenden Schutz der Gesundheit und der Interessen der Verbraucher sichern. Den Verbrauchern soll durch einen gesetzlichen Informationsanspruch die Basis für bewusste Kaufentscheidungen und die sichere Verwendung von Lebensmitteln gegeben werden. Gleichzeitig geht es darum, in der Gemeinschaft einen freien Verkehr von rechtmäßig erzeugten und in Verkehr gebrachten Lebensmitteln zu gewährleisten.
Für welchen Bereich sind die vorgeschlagenen Bestimmungen zu beachten?
Die Bestimmungen der Verordnung werden einschlägig, sobald ein Lebensmittel soweit hergestellt ist, dass es - so wie es sich nunmehr präsentiert - für die Abgabe an den Endverbraucher bzw. - diesem gleichgestellt - an einen Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist. Die Bestimmungen gelten also z.B. nicht für die Geschäftsbeziehung von Zerlegungsbetrieb und Verarbeitungsbetrieb.
Die Bestimmungen gelten sowohl für Ware in Fertigpackungen als auch für lose Ware.
Welche Informationen über Lebensmittel sind vorgeschrieben?
Folgende Angaben sind zu treffen:
- die Bezeichnung des Lebensmittels;
- das Verzeichnis der Zutaten;
- aufgeführte Zutaten, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen können, sowie alle Derivate aus diesen Zutaten;
- die Menge bestimmter Zutaten oder Zutatenklassen;
- die Nettomenge des Lebensmittels;
- das Mindesthaltbarkeitsdatum oder das Verbrauchsdatum;
- gegebenenfalls die besonderen Anweisungen für Aufbewahrung und Verwendung;
- den Namen oder die Firma und die Anschrift des Herstellers oder des Verpackers oder eines in der Gemeinschaft niedergelassenen Händlers;
- das Ursprungland oder den Herkunftsort, falls ohne diese Angabe ein nicht unerheblicher Irrtum des Verbrauchers über das eigentliche Ursprungsland oder den eigentliche Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre, insbesondere wenn die Informationen zum Lebensmittel oder die Etikettierung insgesamt sonst den Eindruck erwecken würden, das Lebensmittel komme aus einem anderen Ursprungsland oder Herkunftsort;
- eine Gebrauchsanleitung, falls das Lebensmittel ohne eine solche nicht angemessen verwendet werden könnte;
- für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent die Angabe des vorhandenen Alkoholgehalts in Volumenprozent;
- eine Nährwertdeklaration.
- (Vorstehend b) Nicht erforderlich ist das Verzeichnis der Zutaten bei Lebensmitteln, die aus einer Zutat bestehen, sofern die Bezeichnung des Lebensmittels mit der Zutatenbezeichnung identisch ist oder die Bezeichnung des Lebensmittels eindeutig auf die Art der Zutat schließen lässt.
- (Vorstehend c) Fleisch zählt nicht zu den Zutaten, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können.
- (Vorstehend f) Bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Lebensmitteln wird das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatums ersetzt.
- (Vorstehend l) Für unverarbeitete Erzeugnisse, die nur aus einer Zutat bestehen, wie zum Beispiel Fleisch, ist eine Nährwertdeklaration nicht vorgeschrieben.
Wie geht es weiter?
Nach Informationen aus Brüssel werden sich die Beratungen zu dem Entwurf im Europäischen Parlament und Ministerrat noch etliche Monate hinziehen. Der Ausschuss für Lebensmittelrecht in der UECBV, in dem der VDF regelmäßig mitarbeitet, befasste sich auf seiner letzten Sitzung eingehend mit dem Kommissionsvorschlag. Wegen zahlreicher Details des Entwurfs, die bisher noch nicht zufriedenstellend sind, wird der Ausschluss noch mehrmals mit Vertretern der Kommission und der sonstigen beteiligten Kreise zusammenkommen, um seine Vorstellungen zu artikulieren. So stoßen etwa die schwammigen Bestimmungen zur Angabe eines Ursprungslandes oder eines Herkunftsortes auf die Kritik des Ausschusses. Solche Angaben tragen den Ruch des agrarischen Chauvinismus. Herkunftsangaben dürfen nicht dazu missbraucht werden, die EU-Binnenmarktprinzipien zu konterkarieren. Der UECBV-Ausschuss hat sich in diesem Zusammenhang auch dafür ausgesprochen, die Rindfleisch-Etikettierungsverordnung als bürokratisches Monster abzuschaffen: Wer eine Herkunft deklarieren möchte, der könne dies in kaufmännischer Einschätzung seiner Erfolgschancen am Markt tun, aber bitte kein Zwang!