Fleischkonsum und Klima – es gibt nicht nur schwarz und weiß!
VDF, 12.07.2019 - Die Deutschen haben ihr Ernährungsverhalten in den letzten Jahren stark verändert. Essen ist nicht mehr bloße Nahrungsaufnahme oder Nährstoffversorgung. Immer mehr Menschen fühlen sich von Ernährungstrends angesprochen und identifizieren sich mit den damit verbundenen Lebensstilen. Ernährung wird mit bestimmten Wertevorstellungen verknüpft. Das Stichwort Nachhaltigkeit nimmt dabei einen besonderen Platz ein und insbesondere die Themen Umwelt und Klima stehen im Fokus.In diesem Zusammenhang kommt es regelmäßig zu – oftmals einseitigen - Diskussionen über die Klimabilanz von Lebensmitteln. Genauer gesagt über die Freisetzung von Treibhausgasen bei der Produktion von Lebensmitteln durch den landwirtschaftlichen Sektor. Vor allem der Nutztierhaltung wird ein großer Anteil der in Deutschland freigesetzten Treibhausgasemissionen zugeschrieben. Aussagen wie „Besser essen fürs Klima“ oder „Klimawandel auf dem Teller“ bestimmen immer häufiger die Schlagzeilen. Aber ist es wirklich so einfach? Ein genauer Blick lohnt sich.
Umweltschützer fordern, die Deutschen sollten ihren Fleischkonsum halbieren und die Tierbestände abbauen, um die angestrebten Klimaziele noch zu erreichen. Als Hauptargument stützen sie sich auf die Aussage der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) aus dem Jahr 2006, die Nutztierhaltung erzeuge weltweit mehr Treibhausgase als der Verkehrssektor. Interessant: Die Studie berücksichtigte bei der Tierhaltung eine umfassende Ökobilanz, also sowohl direkte als auch indirekte Emissionen. Düngemittelproduktion, Futtermittelanbau sowie die Umwandlung von Wäldern in Weiden wurden in die Berechnung mit einbezogen. Beim Verkehr berücksichtigte die FAO jedoch nur die Abgase von fertigen Autos, Zügen und Flugzeugen. Die Auswirkungen der Herstellung von Fahrzeugmaterialien, Instandhaltung von Straßen usw. wurden ignoriert. Der Vergleich der Treibhausgasemissionen von Nutztieren mit denen des Verkehrs war somit stark verzerrt. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zwischenzeit durch die FAO korrigiert.
Deutlich wird, die Aussage, mit der Halbierung des Fleischkonsums könne man die Klimaziele erreichen, ist schnell getätigt. Sie polarisiert und ist stark vereinfacht. Und sie bleibt in den Köpfen hängen. Die richtigen Fragen, die sich an diese Aussage anschließen, hat die Landwirtschaftskammer Niedersachsen gestellt und beantwortet: Wie viel würde die Halbierung des Fleischkonsums zum Erreichen des Klimaziels denn überhaupt beitragen? Und wie sieht es im Vergleich zu anderen Bereichen aus?
Die wichtigste Aussage vorweg: Eine Halbierung des Fleischkonsums, wie im Fleischatlas 2018 empfohlen, würde Deutschland dem Klimaziel um etwa einen Prozentpunkt näherbringen. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass ein geringerer Fleischkonsum einen Anstieg des pflanzlichen Nahrungsmittelbedarfs und der daraus resultierenden Emissionen mit sich bringen würde. Auch die University of California kommt mit einer Studie zu einem ähnlichen Ergebnis: Ein fleischfreier Montag von allen Amerikanern würde eine Reduzierung von nur 0,5 % der amerikanischen Treibhausgasemissionen ergeben. Im Gegensatz dazu würden Veränderungen in den Bereichen Technik, Genetik und Management die Nutztierhaltung weniger treibhausintensiv gestalten. Dafür spricht, dass laut FAO-Statistiken die direkten Treibhausgasemissionen der US-Viehhaltung seit 1961 um 11,3 % zurückgegangen sind, während sich die Produktion von Fleisch von Nutztieren mehr als verdoppelt hat. Fazit: Es ist wichtiger das Vorhandene zu optimieren, als grundsätzlich darauf zu verzichten.
Klar ist, der landwirtschaftliche Sektor kann durch eine klimaeffiziente Produktion einen Beitrag zur Verringerung der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen leisten. Aber er ist eben nur ein Sektor von vielen. Es gibt andere Maßnahmen, die z. T. einen wirkungsvolleren Beitrag zum Erreichen des deutschen Klimaziels leisten. Wichtig ist, dass alle Maßnahmen objektiv wahrgenommen und beurteilt werden. Es ist nicht alles schwarz und weiß. Es lohnt sich, die Fakten differenziert zu betrachten und zu vergleichen.
Wer sein persönliches Verhalten klimafreundlicher gestalten möchte, kann dies besonders effektiv im Energie- und Mobilitätsbereich erreichen. So kann mit einem Verzicht auf eine Flugreise eine große Menge klimaschädlicher Gase eingespart werden. Laut CO2-Rechner des Umweltbundesamtes werden für eine Flugreise von Köln nach Mallorca 0,85 t CO2-Äquivalent pro Person fällig. Mit einer kompletten Umstellung der Ernährungsweise auf vegetarisch erreicht man jedoch lediglich eine Einsparung von 0,35 bis 0,45 t CO2-Äqivalent (je nach Körpergewicht) und das auf ein ganzes Jahr gerechnet. Um dasselbe Klimaziel wie beim Verzicht auf einen Mallorca-Urlaub zu bewirken, müsste man sich somit mindestens zwei Jahre lang vegetarisch ernähren.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie auch unter www.fleischexperten.de.