Erwartungen der Fleischwirtschaft an die künftige Bundesregierung
Bonn, 18.12.2024 - Die Branche der Fleisch- und Fleischwarenerzeugung ist der zweitgrößte Arbeitgeber der Ernährungsindustrie. Die etwa 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versorgen täglich die Menschen in Deutschland mit hochwertigem, frischem Fleisch und Fleischerzeugnissen. Die überwiegend mittelständischen und großen Mitgliedsunternehmen decken über 90 % der deutschen Versorgung mit Schweine- und Rindfleisch ab. Dies umfasst auch den gesamten Import und Export des Sektors. Der Verband der Fleischwirtschaft e.V. vertritt als Spitzenorganisation der Fleischwirtschaft die Interessen von Unternehmen aus nahezu allen Bereichen des Vieh- und Fleischsektors in allen Haltungsformen bis hin zur biologischen Produktion.1. Bürokratie abbauen – bestehende Initiativen stärken
Die mittelständisch geprägte deutsche Wirtschaft ist auf einen effizienten Rechtsrahmen angewiesen. Überflüssige Bürokratie verursacht unnötige Kosten, behindert Innovationen und Investitionen und stellt einen erheblichen Standortnachteil auch für die Fleischproduktion dar. Gleichzeitig sind viele Unternehmen auf dem Weg, den Wandel zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit aktiv zu gestalten. Neue Gesetze können diese Arbeit behindern.
Ein Beispiel dafür ist das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, dem es in seiner aktuellen Form an einer sach- und praxisgerechten Umsetzbarkeit mangelt. Die Produktionskette Fleisch hat mit der Haltungsformenkennzeichnung ein freiwilliges System initiiert, das dem Verbraucher eine informierte Entscheidung ermöglicht und eine hohe Marktdurchdringung und Bekanntheit aufweist. Bekannte und marktrelevante Systeme für höhere Tierwohlstandards, wie die Initiative Tierwohl, die Tierhaltung in der Breite verbessert, sollten gestärkt und ausgebaut werden.
Wir schlagen vor, das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz mangels Praxistauglichkeit nicht weiter zu verfolgen und das Gesetz ersatzlos zu streichen. Zivilgesellschaftlich getragene Systeme für mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit sollten dagegen gestärkt werden.
2. Tierhaltungsstandort Deutschland sichern – ausgewogene Ernährung gewährleisten
Deutschlands Position im internationalen Standwortwettbewerb hat sich in den letzten Jahren erheblich verschlechtert. Die inländische Fleischproduktion geht zurück. Gründe sind hohe Energiekosten, ein hohes Lohnniveau, die zunehmende Konkurrenz aus der EU und Drittländern, sowie unser aller Bemühen um hohe Produktions- und Tierwohlstandards.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Standort Deutschlands muss gestärkt werden, damit nicht weitere – insbesondere mittelständische – Unternehmen ihren Betrieb einstellen und die tägliche Produktion frischer und regionaler Lebensmittel auch weiterhin gewährleistet werden kann. Deutschland ist dabei eine Gunst- und Modellregion für eine nachhaltige und ressourcenschonende Fleischerzeugung und damit Vorbild in einem Umfeld, das in vielen Regionen der Welt durch einen steigenden Fleischkonsum gekennzeichnet ist. Diese Vorbildfunktion sollte durch die Förderung der Innovationskraft der Wirtschaft z.B. bei der Vermeidung von Klimagasemissionen gestärkt werden, anstatt Maßnahmen mit dem Effekt des Abbaus der Produktion umzusetzen, die durch einen Ausbau in anderen Weltregionen ersetzt würde. Zieldefinitionen helfen dabei mehr als unnötige und wirtschaftsfeindliche konkrete Vorgaben für operative Maßnahmen. Dazu schlagen wir vor, das Baurecht für den Stallbau wieder flexibler zu gestalten. Junge Hofnachfolger müssen die Möglichkeit haben, in die Zukunft der Tierhaltung zu investieren. Ein Schlüssel hierfür ist der Ausbau von Forschungsaktivitäten für eine nachhaltigere Tierhaltung.
Neue Anforderungen an die Fleischproduktion sollten zukünftig im Sinne eines Level-Playing-Field europaweit einheitlich umgesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise die Tierhaltungskennzeichnung sowie eine mögliche Herkunftskennzeichnung.
Darüber hinaus ist Fleisch für 90 Prozent der Bevölkerung hierzulande ein Grundnahrungsmittel und Teil einer ausgewogenen Ernährung, das kein Luxusgut werden darf. Dazu sollten staatliche Eingriffe zur Konsumentenlenkung z.B. durch einen höheren Mehrwertsteuersatz unterbleiben. Vielmehr ist es erforderlich, die Vielfalt der Ernährung sowie die Bedeutung von Fleisch als Teil einer gesunden und ausgewogenen Ernährung wissenschaftsbasiert in der Breite der Bevölkerung zu vermitteln.
3. Außenhandel stärken – Absatzmärkte öffnen – Infrastruktur verbessern
Die deutsche Fleischwirtschaft ist auf einen starken Außenhandel angewiesen. So trägt der Export von Teilstücken, die aufgrund der hiesigen Esskultur in der EU keinen Absatzmarkt finden, in Drittländern aber zu den üblichen Verzehrgewohnheiten gehören, zu einer nachhaltigen Wertschöpfungskette bei. Die deutschen Importeure bedienen insbesondere mit Edelteilen vom Rind und Lamm aus südamerikanischen Drittländern die Nachfrage aus der ansässigen Gastronomie. Damit unnötige Lebensmittelabfälle vermieden werden können und deutsche Unternehmen im Wettbewerb mit ihren europäischen Konkurrenten nicht mehr das Nachsehen haben, muss die Position deutscher Unternehmen im europäischen und globalen Außenhandel wieder gestärkt werden.
Für eine nachhaltige Nutzung möglichst aller Fleischteilstücke als Lebensmittel, ist die Öffnung von Absatzmärkten für Rind- und Schweinefleisch im außereuropäischen Ausland eine wichtige Voraussetzung. Dazu ist es insbesondere notwendig, die Verhandlungen zur Anerkennung der Regionalisierung bei Afrikanischer Schweinepest mit dem erforderlichen politischem Nachdruck voranzutreiben und die dafür notwendige Ausstattung in den Fachabteilungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sicherzustellen.
Um Ex- und Importe effizient abwickeln zu können, bedarf es des Ausbaus und der Modernisierung der Infrastruktur der deutschen Häfen. Abfertigungsprozeduren sollten weniger bürokratisch, sondern erheblich praxisgerechter gestaltet werden.